Wenn ein Pärchen das erste Mal Eltern wird, drängt sich früher oder später eine allen sehr bekannte Gretchenfrage auf: Sind wir Trageeltern oder Kinderwagen-Schieber? Vor genau diesem Dilemma standen auch mein Mann und ich vor über drei Jahren. Und egal auf wen oder was wir hörten, unser Entscheid wurde dadurch nicht einfacher. Zudem gibt auch hier, wie in so vielen Mamithemen, nur selten eine gemässigte Meinung. Entweder schwarz, oder weiss. Also steinzeitliches Tragen oder distanziertes Schieben. Was für eine deprimierende Auswahl… Also trugen wir, basierend auf Fakten (!!!), Argumente für beide „Transportmittel“ zusammen.
Tragen: Unsere Babies sind, evolutionär gesehen, kleine Traglinge. Sie benötigen Mamas oder Papas Nähe, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Dies stärkt das Urvertrauen. Zudem gibt das Tragen den Babies eine Art „Gebärmuttergefühl“ zurück, denn es ist schön warm und eng, jeder Schritt wiegt das Baby sanft und es hört den beruhigenden und vertrauten Herzschlag. Dieses Gefühl lässt Tragekinder weniger weinen und das Bonding zu den Eltern soll besser und inniger sein. Sie sind geschützter vor der Umwelt und lernen mehr, da sie immer mit dabei sind – und das auf Augenhöhe; haben aber immer eine Rückzugsmöglichkeit. Auch gewisse medizinische Vorteile hat das Tragen: Der stetige Hautkontakt stärkt das Immunsystem und unterstützt die Verdauung. Durch das Tragen kann ein flacher Hinterkopf oder ein Schiefkopf (lat. Plagiocephalie) verhindert werden und getragene Babies leiden seltener an Hüftdysplasien, wenn sie in der korrekten Anhock-Spreiz-Stellung getragen werden. Für die Eltern birgt das Tragen den Vorteil, dass der Alltag einfacher zu bewältigen ist als wenn ein Arm vom Baby in Anspruch genommen wird (jede Mama kennt das einhändige Ausräumen des Geschirrspülers, Befüllen der Waschmaschine und so weiter und so fort). Auch sollen Eltern mehr mit ihren Traglingen sprechen und schneller auf diese reagieren, als wenn das Baby im Kinderwagen liegt.
Kinderwagen: Wenn man sich in Büchern und im Internet über die Vorteile eines Kinderwagens gegenüber des Tragetuchs schlau machen will, dann fällt das Ergebnis sehr ernüchternd aus. Die einzigen Vorteile, welche er zu haben scheint, sind die folgenden: schön schattig im Sommer, Mama/Papa und Kind wärmen sich nicht gegenseitig auf und oftmals ist im Kinderwagen auch noch ein Einkaufskorb integriert. Nun gut, das sind jetzt aber auch nicht gerade DIE Gewinnerargumente…
Aber irgendwie sträubte sich bei mir, noch bevor Carla da war, alles gegen das Tragetuch. Ich hatte die grosse Sorge, dass es nicht so richtig halten würde und sah vor meinem inneren Auge nur die sehr, sehr, seeeeehr farbigen Tragetücher, welche Mitte der 90er Jahre aufkamen und beschloss, dass dies so überhaupt nicht mein Stil sei. Also kauften wir, nach eingehender Beratung im Fachgeschäft, einen schönen und multifunktionellen Kinderwagen. Doch Carla hatte einen anderen Weg für mich vorgesehen. Sie war ein richtig kleiner Tragling. Mein Baby brauchte diese Nähe und so begab ich mich, wohl oder übel, in das Experiment „Tragen“. Nach kurzer Zeit schon war es nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken und ich begann das Tragen und diese ganz besondere Nähe zu meinem kleinen Mädchen zu geniessen. Es gipfelte sogar in einer richtiggehenden Tragetuch-Obsession; ich liebte meine wunderschönen und stylishen Tücher von Mo Dream und Artipoppe heiss. Kein Preis war mir für mein Objekt der Begierde zu hoch. Über diese Zeit erwies sich der Kinderwagen fast schon als eine Fehleinvestition. Noch lange, auch bereits schon schwanger mit Nayla, trug ich meinen Tragling auf dem Rücken durchs Lebens. Und dann kam Baby Nummer zwei. Mein kleiner Sonnenschein genoss es zu Beginn auch sehr, wandelte sich aber immer mehr zum Trage- und Kinderwagenkind. Und so handhaben wir es auch noch heute. In jeder einzelnen Situation entscheiden wir, welches „Transportmittel“ am geeignetsten ist.
Allen Bald- und Jungmamis kann ich nur raten, von Anfang an dem Thema gegenüber offen zu sein und zu schauen, welche Form (inklusive aller Mischformen) für das Baby und was für einen selbst am besten passt. Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung definiert sich auf keinen Fall darüber, ob man trägt oder schiebt. Nur die Liebe ist entscheidend.